Titelfoto: © Brillux
Wien ist eine dynamisch wachsende Stadt mit einem quantitativ wie qualitativ großen architektonischen Erbe. Die Bewertung des Bestandes verändert sich derzeit grundlegend: Neben der Frage, welche Bauten aufgrund ihrer architektonischen Qualitäten erhaltenswert oder (denkmal-)schutzwürdig sind, rückt zunehmend auch der Aspekt der Nachhaltigkeit in den Fokus. Die Frage, ob vorhandene Bausubstanz durch Renovierung, Upcycling und Transformation weitergenutzt und aktiviert werden kann, bildet das zentrale Element der Diskussion. Um den heutigen ökonomischen, ökologischen und funktionalen Anforderungen gerecht zu werden, spielt die Architektur eine bedeutende Rolle. Die Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ drückt es wie folgt aus: „Es braucht Lösungen, die nachhaltig, inklusiv und schön sind.“
Wir besuchen drei Beispiele, deren historische Substanz aus verschiedenen Epochen stammt und die sich sowohl im städtebaulichen Kontext als auch in der Aufgabenstellung wesentlich unterscheiden – gemeinsam ist ihnen jedenfalls die Lage an der Straßenbahnlinie O und die ausgezeichnete Architekturqualität.
(um 1900, anonym; 2023, AllesWirdGut Architektur ZT GmbH, Wien)
Das „Neue Landgut“ ist ein neun Hektar großes, ehemaliges Infrastrukturareal neben dem Hauptbahnhof. Neu errichtet wurden mehrere Wohnbauten, ein Bildungscampus und ein Park. Als identitätsstiftende Objekte sollten zwei Backsteinbauten erhalten bleiben. AWG hat den geladenen Wettbewerb für die sogenannte „Gösserhalle“ gewonnen – mit einem Neubau innerhalb der alten Außenmauern, die nun als Arkaden fungieren. Ein dreigeschoßiges Foyer verleiht dem Bürobau Großzügigkeit, das Restaurant an der Kopfseite belebt den Vorplatz. Die Ambition des privaten Bauherrn zeigt sich unter anderem in der Energieversorgung durch Erdsonden und Photovoltaik. Andreas Burghardt wurde mit der Gestaltung des eleganten Interieurs beauftragt
Bild: © Brillux
(1899–1900, Max Fabiani; 2021, Revitalisierung, A.C.C. Ziviltechniker, Wien)
Das ehemalige Wohn-, Büro- und Geschäftshaus der Einrichtungsfirma „Portois & Fix“ an der Ungargasse ist eine Ikone der Wagner-Schule. In den dahinterliegenden Höfen befanden sich die Fabrikanlagen – diese frühe Eisenbetonarchitektur wurde bereits mehrfach umgebaut. Bei der aktuellen Revitalisierung hat A.C.C. diese mit einem jüngeren Bürobau (1987, P. P. Schweger, W. Meyer, W. Schneider) zu einem Ensemble zusammengefasst. Die tragenden Strukturen wurden freigelegt und bilden als Edelrohbau einen großzügigen Rahmen für offene, flexible Nutzungskonzepte. Anerkennun verdient auch die Haustechniklösung, die den freien Blick auf die historischen Eisenbetondecken ermöglicht.
Bild: © Architectural Tours Vienna
(1963, Kurt Stögerer; 2022, Umbau/Interior BWM Designers & Architects, Wien, Re-Use Daniel Büchel, Wien)
Ein Wohnheim für pensionierte Priester wurde zu einem Hotel mit besonderem Konzept umgebaut: Hier begrüßen und bewirten Flüchtlinge aus aller Welt die Gäste. Die Balance von Rückzug und Begegnung wurde bewahrt – das Erdgeschoß mit Restaurant und Gastgarten sowie die Seminarräume stehen für Offenheit (auch zur Nachbarschaft), die eher puristischen Zimmer ermöglichen Ruhe und Besinnung. BWM musste das Gebäude für die neuen Anforderungen rundum ertüchtigen. Unter anderem wurde die Haustechnik komplett erneuert und auf nachhaltige Energieversorgung mit Tiefensonden, Photovoltaik und Wärmepumpen umgestellt. Die Gestaltung gibt dem Stil des Hauses aus den 1960er-Jahren eine sensible Neuinterpretation und ergänzt ihn mit Einrichtungselementen im Upcycling-Design, die den Charakter des Hotels als „Social Business“ unterstreichen.
Bild: © Brillux
Die Veranstaltung ist bei den unten stehenden Architektenkammern als Fortbildungsveranstaltung anerkannt worden:
Die Architektenkammer Baden-Württemberg hat die Veranstaltung mit 2 Unterrichtsstunden anerkannt.